Al-Shabaab Terror in Kenia: Hintergrund und Implikationen

22.01.2019

Min­des­tens 21 Men­schen ka­men in der ver­gan­genen Wo­che ums Le­ben, als Al-Sha­baab-Kämp­fer einen Ho­tel­kom­plex in Kenias Haupt­stadt Nai­robi an­griffen. Die mit Al-Qaida verbündete Organisation ließ verlauten, der Angriff sei eine Reaktion auf die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen. Kenia ist zwar nicht zum ersten Mal Angriffsziel von Al-Shabaab, aber der Anschlag ist doch ein Schock für diejenigen, die das Land als Insel der Stabilität in Ostafrika betrachten. Warum geriet Nairobi ins Visier der Terroristen? Was könnten die Folgen für die Stabilität vor Ort sein? Und was sollte die kenianische Regierung tun, um Ordnung wiederherzustellen und eine weitere Eskalation zu verhindern?

Für unser #ExpertInsight haben wir Fabio Sälzler, Afrika-Analyst hier bei CONIAS, gefragt, wie der Anschlag einzuordnen ist und warum man die Entwicklungen weiterhin im Auge behalten sollte.

Political Risk Kenia
Fabio, du hast die Entwicklungen in Kenia in den letzten Monaten und die damit verbundenen politischen Risiken intensiv verfolgt. Wie schätzt du die Gesamtsituation in dem Land ein, welche Regionen sind normalerweise von Gewalt betroffen?

Trotz des Angriffs ist die allgemeine Sicherheitslage in Kenia als vergleichsweise stabil zu bewerten. Ein Kooperationsabkommen zwischen Präsident Uhuru Kenyatta und dem Oppositionsführer Raila Odinga in Folge der Unruhen nach den Wahlen von 2017 hat in der letzten Zeit sogar geholfen, politische Spannungen abzubauen. Die Regierung muss sich jedoch weiterhin mit der anhaltenden Gewalt zwischen verschiedenen Kommunen auf lokaler Ebene, insbesondere im Rift Valley, als auch mit der durch die Aktivitäten von Al-Shabaab verursachten Unsicherheit  in den östlichen Grenzgebieten zu Somalia auseinandersetzen.

Al-Shabaab wurde in Somalia gegründet und wird von vielen als Phänomen der dortigen Konflikte angesehen. Hat der Angriff in Kenia dich also überrascht?

Kenia wurde bereits zuvor von Al-Shabaab angegriffen – beim Angriff auf das Westgate Einkaufszentrum 2013 starben über 70 Menschen - und dürfte aus mehreren Gründen ein wichtiges Ziel in der Zukunft bleiben. Erstens kämpft die kenianische Armee aktiv gegen die Organisation. Seit 2011 befinden sich kenianische Truppen sogar im Kampfeinsatz in Somalia. Zweitens ist das Land durch die Rekrutierung von ortskundigen in Kenia geborenen Kämpfern durch Al-Shabaab zu einem "leichteren" Ziel geworden. Drittens wird Kenia als Ziel für Touristen und durch enge Verbindungen zu den Vereinigten Staaten und zum Westen im Allgemeinen zu einem enorm attraktiven Ziel für Al-Shabaab. Gerade angesichts der vergleichsweise freien Berichterstattung und der internationalen „Sichtbarkeit“ Kenias kann sich die Organisation mit derartigen Operationen als ernstzunehmenden Gegner der staatlichen Ordnung in der Region profilieren.

Welche Konsequenzen hat der Angriff für Kenia und die Region? Welchen Herausforderungen steht die Regierung jetzt gegenüber?

Der Angriff hat erneut deutlich gemacht, dass die Regierung in Nairobi in der nahen Zukunft vor allem zwei Themen priorisieren muss, wenn sie weitere Instabilität und Gewalt verhindern will. Erstens muss Kenia die Sicherheit der eigenen Grenze im Osten erhöhen, um ein Einsickern und die Ausreise von Al-Shabaab Kämpfern zu verhindern. Zweitens sollte die Regierung die eigenen Anstrengungen verstärken, um die verschiedenen Bevölkerungsgruppen besser zu integrieren. Dazu gehört es insbesondere, der Marginalisierung der muslimischen Bevölkerung entgegenzutreten. Nur durch die Förderung der nationalen Einheit und staatlicher Präsenz in allen Regionen kann Kenia die Attraktivität von Al-Shabaab unter den Einheimischen verringern und die Erfolgswahrscheinlichkeit der Terroristen bei der Rekrutierung von Kämpfern verringern. Dabei ist es auch jetzt nach dem Anschlag von entscheidender Bedeutung, dass die Behörden die Fehler aus der Zeit nach dem Westgate Anschlag 2013 - wie Repressalien gegen Muslime und ethnische Somalis - nicht wiederholen.


Fabio Sälzler ist Analyst bei CONIAS Risk Intelligence mit besonderem Fokus auf Subsahara-Afrika. Er beschäftigt sich seit längerem mit transnationalen Konflikten in Subsahara-Afrika und den internationalen Beziehungen afrikanischer Staaten.

Die Fragen wurden von Dr. Magdalena Kirchner, COO von CONIAS Risk Intelligence, gestellt.

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