Die hartnäckig anhaltende Inflation hält die Weltwirtschaft in Atem. Unter anderem angetrieben durch die Corona-Krise sorgt die Inflation - mittlerweile nicht mehr nur bei Börsianern und Bänkern - zunehmend für besorgte Mienen. Nach einer Schätzung des Statistischen Bundesamtes betrug die Inflation im November 5,2 Prozent, und war damit so hoch wie seit 29 Jahren nicht mehr. Auch auf globaler Ebene erwarten Experten einen dauerhaften Anstieg der Inflation.[1]
Niedrige Preise im Vorjahr als Ursache für die Inflation
Die Statistischen Landesämter liefern Details und Einzelheiten über die aktuelle Lage. So macht das Statistische Landesamt in Rheinland-Pfalz eine Mehrzahl von Gründen für die hohe Inflationsrate verantwortlich. Dazu gehören die niedrigen Preise im Vorjahr; vor allem das niedrige Preisniveau bei Mineralölprodukten sowie die regulären Mehrwertsteuersätze, die seit Anfang 2021 wieder gelten. Weitere Preissteigerungen seien Resultat der Einführung der CO2-Bepreisung im Januar 2021 sowie coronabedingte Effekte.
Energiepreise mit höchster Teuerungsrate
Die Ursachen für den Inflationsanstieg sind meist vielfältig, können aber anhand ihrer Herkunft unterschieden werden: Globale vs. lokale Ursachen. Als Beispiel dient hier das deutsche Bundesland Rheinland-Pfalz. Dort sind die Energiepreise im Vergleich zum Vorjahr um 22,5 Prozent gestiegen. Besonders betroffen sind Mineralölprodukte (51,9 Prozent) und Heizöl (60,8 Prozent). Kraftstoffe verteuerten sich um 43,4 Prozent. Im Lebensmittelbereich sind vor allem die Preise für Speiseöle und -fette gestiegen (11,2 Prozent). Einen merklichen Preisanstieg gab es auch bei Molkereiprodukten (6,8 Prozent) und Eiern (14,8 Prozent).[2]
Die Rolle der Notenbanken
In Anbetracht der aktuellen Lage in Europa gibt es nun zunehmend Forderungen an die „Hüterin der Währung“, die Europäische Zentralbank (EZB), die Zinsen zu erhöhen[3]. Die EZB hat auf europäischer Ebene die Funktion, die sonst staatliche Notenbanken auf nationaler Ebene haben: Für eine stabile Währung, d.h. auch eine geringe Inflationsrate zu sorgen. Die Gewährleistung dieser Preisstabilität hat für die EZB höchste Priorität.[4] Die Forderung nach einer Erhöhung der Zinsen gäbe den Anreiz, Geld zu sparen oder investieren, anstatt es für Konsumausgaben zu verwenden. Dadurch ließe sich die im Umlauf befindende Geldmenge verringern, was zu einer Senkung der Inflation führen würde. Allerdings macht es den Anschein, als würde die EZB an ihrer Niedrigzinspolitik festhalten. Das Ziel dahinter ist, durch günstiges Geld die Wirtschaft anzukurbeln, um einer Rezession – hervorgerufen durch die Corona-Krise – entgegenzuwirken.
EZB-Präsidentin Christine Lagarde beteuerte in einem Interview gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, dass die erhöhten Inflationsraten nur vorübergehend seien und sich im nächsten Jahr erholen würden.
Inflation und Krisen
Der Blick in die Vergangenheit zeigt, dass übermäßige Inflation und Krisen in enger Beziehung zueinander stehen. Dabei stellt sich die Frage, was von beidem zuerst kommt. Staaten, deren Politiker über die Geldpolitik des Landes entscheiden, unterliegen der Versuchung, zur Finanzierung ihrer Vorhaben mehr Geld zu drucken. In der Vergangenheit ist dies besonders in Kriegszeiten beobachtbar. Als im Sommer 1914 alle Zeichen in Europa auf Krieg zeigten, löste die Reichsregierung im Deutschen Kaiserreich die Kopplung der Mark an die Goldwährung auf, wodurch wieder ungebremst Geld gedruckt werden konnte. Zur Banknotendeckung wurden unter anderem Schuldverschreibungen verwendet.[5] Die Geldmenge verfünffachte sich innerhalb von vier Jahren. Die Finanzierung findet dabei fast immer auf Kosten des Volkes statt, denn die Inflation vernichtet dessen Vermögen und sorgt im schlimmsten Fall für hohe Armutsquoten und Massenemigrationen. Ein Beispiel dafür ist die bis heute anhaltende Wirtschaftskrise in Venezuela.
Gleichsam ist auch das gegenteilige Szenario denkbar: Dass eine Inflation eine bereits bestehende Krise verschärft. Schließlich leidet an einer Inflation primär das Volk, und wenn in einer Krise beispielsweise die Lebensmittelpreise steigen und sich die Menschen aufgrund der Inflation keine Grundnahrungsmittel leisten können, kommt es schnell zu Unruhen und Revolten.
Wenn zu einer hohen Inflation noch weitere Indikatoren einer schlechten Regierungsführung auftreten, wie eine Verschlechterung der Versorgungslage, kann dies das Risiko zu Umsturz und Rebellion stark erhöhen. Einige Analysten sehen in dieser Kombination die Ursachen für den Ausbruch des arabischen Frühlings und des Bürgerkriegs in Syrien.[6]
Aufgrund der oben geschilderten Erfahrungen werden Staaten, deren Notenbanken nicht unabhängig von der Regierung agieren, besonders kritisch gesehen. Aktuelles Beispiel hierfür ist die Türkei.[7]
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Wir bei CONIAS haben neben politischen und soziodemographischen Indikatoren auch Wirtschaftsindikatoren im Blick. Diese bilden – neben andere Methoden – ein Framework, anhand dessen wir politische Risiken analysieren und vorhersagen.
Über die Autoren:
Lars Klöffer & Dr. Nicolas Schwank
CONIAS Risk Intelligence
Michael Bauer International GmbH
Quellenangaben
[1] https://www.wsj.com/articles/global-inflation-set-to-be-higher-for-longer-says-oecd-11638356853
[2]https://www.statistik.rlp.de/no_cache/de/gesamtwirtschaft-umwelt/preise/pressemitteilungen/einzelansicht/news/detail/News/3395/
[3] https://www.merkur.de/politik/europaeische-zentralbank-eu-aufgaben-zusammensetzung-sitz-ezb-rat-90286984.html
[4] https://www.ecb.europa.eu/ecb/educational/explainers/tell-me-more/html/25_years_maastricht.de.html
[5]https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/inflation
[6] https://www.pbs.org/newshour/world/world-july-dec11-food_09-07
[7] https://www.wsj.com/articles/why-the-turkish-lira-is-falling-like-a-rock-11638882292