Was bedeutet das neue Lieferkettengesetz für die Rüstungsindustrie?

04.11.2021

Der Bundestag hat am 11.06.2021 das neue Lieferkettengesetz verabschiedet. Es verpflichtet Unternehmen, genauer auf Menschenrechtsverletzungen entlang der Lieferkette zu achten, bei Bekanntwerden von Verstößen zu handeln sowie zur Bereitstellung eines Beschwerdemechanismus. Doch was bedeutet dieses Gesetz für die deutschen Rüstungsexporte und die Unternehmen, die diese Güter produzieren?

Eine rationale Annahme wäre, Rüstungsexporte an Länder, die Menschenrechtsverletzungen begehen, einzustellen. Dazu gehören sowohl Kriegswaffen als auch „Rüstungsgüter“; Produkte, die für militärische Zwecke hergestellt werden. Von einer Einstellung der Exporte wären auch Länder, in denen bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, oder welche unmittelbar an Kriegen beteiligt sind, betroffen.

Waffenlieferungen in den Nahen Osten

Beispiele liefern der von Saudi-Arabien angeführte Eingriff in den Bürgerkrieg in Jemen, der unter dem Codenamen Operation Restoring Hope bekannt ist, sowie der Libyen-Konflikt. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate, Sudan, Bahrain, Kuwait, Katar, Ägypten, Jordanien, Marokko und der Senegal sind beteiligt.  Abgesehen vom Sudan - gegen den ein Waffenembargo besteht - lieferte Deutschland 2020 an jedes der genannten Länder Waffen und Ausrüstung im Wert von insgesamt 1,16 Milliarden Euro - darunter Kampfflugzeuge und Panzer. Die Zahl beinhaltet zudem Exportgenehmigungen für die Türkei, Jordanien und Bahrain. Alle genannten Länder sind bei mindestens einem der erwähnten Konflikte involviert.[1]

Ein Einstellen der Rüstungsexporte ginge mit hohen Umsatzverlusten für die produzierenden Unternehmen einher. Schließlich wurden 2020 Exporte in Höhe von 5,8 Milliarden Euro genehmigt.[2] Es bedarf keiner hellseherischen Fähigkeiten, um zu antizipieren, dass einem solchen Vorstoß seitens der Politik eine starke Gegenwehr der jeweiligen Interessensgruppen folgen würde.

Das Verfahren für die Vergabe von Exportgenehmigungen unterliegt dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KrWaffKontrG). Unternehmen müssen dafür Genehmigungen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausführkontrolle (BAFA) beantragen. Darüber hinaus bedarf es bei Lieferungen in Länder, die aufgrund von diversen Gründen (z.B. Menschenrechtsverletzungen, Diktaturen etc.) bedenklich sind, der Genehmigung des Bundessicherheitsrats. Allgemein verfolgt die Bundesregierung eine „zurückhaltende und verantwortungsvolle Rustüngsexport-Politik.“[3]

Zudem ist in den Leitlinien für die Genehmigung von Rüstungsexporten zu lesen:

„Die Beachtung der Menschenrechte ist für jede Exportentscheidung von hervorgehobener Bedeutung, unabhängig davon, um welches mögliche Empfängerland es sich handelt. So werden Rüstungsexporte grundsätzlich nicht genehmigt, wenn ‚hinreichender Verdacht‘ besteht, dass das betreffende Rüstungsgut zur internen Repression oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht wird. Für diese Frage spielt die Menschenrechts-Situation im Empfängerland eine wichtige Rolle […]."[4]

Kritik seitens der Opposition

Seit Jahren verüben Oppositionelle Kritik an der Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung. Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, die eigenen politischen Grundsätze für Rüstungsexporte nicht zu befolgen[5] - zum Beispiel, wenn Waffen an Länder geliefert werden, die unmittelbar an Kriegen beteiligt sind.

Die Bundesregierung begründet ihre Politik damit, „dass eine rein zahlenmäßige Betrachtung [...] kein taugliches Mittel für die Beurteilung der Restriktivität der Rüstungsexportpolitik“[6] sei. Ein berechtigter Einwand, schließlich sollte genau untersucht werden, welche Rüstungsgüter tatsächlich exportiert wurden.  Dabei besteht ein erheblicher Unterschied zwischen einem Eurofighter und einem Nachtsichtgerät.

Ob das neue Lieferkettengesetz einen Einfluss auf die Rüstungsexporte der Bundesregierung haben wird, ist fraglich. Schließlich könnte argumentiert werden, die Vorgaben zur Genehmigung von Rüstungsexporten würde bereits hinreichend für die Gewährleistung von Menschenrechten sorgen. Die Zukunft wird zeigen, ob es hinsichtlich dieser Thematik zu Veränderungen kommen wird.

Um Unternehmen bestmöglich auf die Herausforderungen des kommenden Lieferkettengesetzes vorzubereiten, bieten wir im Rahmen unserer neuen CONIAS Academy entsprechende Schulungen und Fortbildungen an. Für weitere Informationen kontaktieren Sie uns gerne.

Neben Entwicklungen von politischen Risiken im Ausland, beschäftigt sich CONIAS verstärkt mit den Implikationen des neuen Lieferkettengesetzes. Ein besonderes Augenmerk legen wir hierbei auf die Themen rund um Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen.