Strategien zum Management langfristiger Risiken für die Lieferkette

14.10.2021

Unternehmen müssen für langfristige Risiken wie den Klimawandel oder geopolitische Entwicklungen vorsorgen. Die Kombination präziser Daten mit intelligenten Methoden ermöglicht ein proaktives Risikomanagement, welches die Widerstandsfähigkeit erhöht und die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit sichert.

In den letzten Jahren rücken langfristige Risiken immer mehr in den Fokus führender Unternehmen. Viele Konzerne haben im Rahmen ihrer Supply Chain Risk Programme die Reaktionsfähigkeit gegenüber möglichen Risiken für ihre Lieferkette bereits verbessert. Diesen Anstrengungen steht jedoch gleichzeitig ein stetig wachsendes Risiko gegenüber. Aufgrund der global steigenden geopolitischen Unsicherheiten und des Klimawandels häufen sich Störungen der Lieferkette nicht nur, die Schwere deren Auswirkungen nimmt ebenfalls zu. Außerdem gestaltet sich die Erholungsphase nach dem Eintreten solcher Risikoereignisse zunehmend länger und schwieriger, da beispielsweise Transportwege oder Lieferanten dauerhaft ausfallen oder unter Risikoaspekten untragbar werden. Wie können sich Unternehmen auf die Zunahme dieser Langfristrisiken vorbereiten und reagieren? Die gute Nachricht ist, dass sich solche Risiken mittels Frühindikatoren vorhersagen lassen und Unternehmen daher Vorsorge treffen können.

Klimarisiken modellieren und managen

Die Auswirkungen des Klimawandels sind auch in Europa schon jahrelang spürbar. Ob besonders heiße Sommer, heftige Stürme, Überflutungen durch Starkwetterereignisse oder verheerende Brände: Klimaereignisse sind nicht mehr nur Thema in der dritten Welt, sondern beeinträchtigen die geschäftlichen Aktivitäten in vielen wichtigen Wirtschaftsräumen. Für viele Unternehmen stellt ihre Lieferkette die Achillesferse hinsichtlich der Bedrohung durch den Klimawandel dar. Bei der Identifikation möglicher klimabedingter Risiken ist es sinnvoll, zwischen Lieferantenrisiken, Transportrisiken durch Störungen der Verkehrsinfrastruktur und Risiken hinsichtlich der Energie- und Wasserversorgung zu unterscheiden. Es gilt weiterhin, die verschiedenen klimabedingten Risikofaktoren und ihre Auswirkungen zu betrachten:

  • Hitze- und Trockenperioden: Mögliche Auswirkungen auf Mitarbeitergesundheit, Wasserverfügbarkeit und Binnenschifffahrt
  • Starkniederschläge, Überflutungen und Hagel: Gefährdung von Gebäuden, Produktionsanlagen und Warenbeständen
  • Sturm und Blitzschlag: Mögliche Schäden an sensiblen Anlagen, Stromversorgung und Telekommunikation
  • Meeresspiegelanstieg, Springfluten: Mögliche Auswirkungen auf den Seetransport, Gebäude und Produktionsanlagen

Mithilfe von Geo Intelligence-Methoden können Klimamodelle mit den spezifischen Lieferketten von Unternehmen verknüpft werden. Dabei werden die spezifischen klimabedingten Risiken für Lieferantenstandorte sowie Transport- und Versorgungswege ermittelt und in einem Gesamtmodell aggregiert und visualisiert. Das in diesem Zusammenhang gebildete Modell ermöglicht die Identifikation und Bewertung der klimabedingten Risikolage eines Unternehmens.

Umgang mit politischen Risiken

Politische Risiken und im engeren Sinne politisch motivierte Gewalt, Kriegsrisiko oder Terrorismusgefahr zählen beständig zu den größten Unternehmensrisiken. Gleichzeitig gehören politische Konflikte - gerade in Demokratien - zum politischen Alltag. Besonders nach dem außenpolitischen Kurswechsel der USA und dem Abzug der Truppen aus Afghanistan gewinnen sie kontinuierlich an Bedeutung. Die gute Nachricht dabei ist: Politische Konflikte und Kriege beginnen in der Regel nicht über Nacht, sondern haben eine lange Vorlaufzeit, die sich gut erkennen lässt. Die Herausforderung besteht darin, die tatsächlich relevanten Nachrichten aus dem vielfältigen Rauschen anderer politischer Meldungen herauszufiltern.

Durch die Erfassung der Geschehnisse in einem dynamischen Modell kann das gesamte Spektrum der Konfliktaktivitäten abgebildet werden. Grundsätzlich lassen sich die politischen Konflikte nach ihren zu erwartenden Auswirkungen klassifizieren:

  • Social Conflicts: Interessengruppen verfolgen ihre Forderungen (meist gegenüber dem Staat) und versuchen diese in der Regel durch Demonstrationen, Proteste oder Streiks durchzusetzen.
  • Violent Conflicts: Gewaltbereite Gruppierungen - meist außerhalb der Gesellschaftsordnung und oft anzutreffen in Staaten mit begrenzter Staatlichkeit - versuchen ihre Interessen durch den Einsatz von Schusswaffen und anderen leichten Waffen durchzusetzen. Häufig werden hierbei auch die Kontrolle von wichtigen Transportwegen als Einnahmequelle für diese „Rebellengruppierungen“ verwendet.
  • War oder Warlike Conflicts: Große und gut organisierte Gruppierungen oder Staaten versuchen durch den Einsatz schwerer Waffen ihre Forderungen durchzusetzen und den Gegner durch schwere Schäden an Produktionsstätten, Transportwegen und Infrastruktur niederzuzwingen.

Die moderne Analyse politischer Länderrisiken verlangt nicht nur eine genaue Beschreibung dessen, was droht, sondern auch Antworten auf die Fragen wann und wo Risiken entstehen. Durch einen langfristigen Vergleich und Analyse von Daten können Muster festgestellt werden, die die Bewertung der aktuellen Konfliktlage unterstützen. Hierbei können Kenntnisse insbesondere über die Resilienz von Staaten gewonnen werden, die bei langfristigen Planungen in der Lieferkette enorme Vorteile versprechen. Somit kann zwischen „effektiven“ und „weniger effektiven“ politischen Konfliktlösern unterschieden werden. Diese Unterscheidung hilft insbesondere in Zeiten wachsender Unsicherheiten, in denen Terroranschläge auch in die Zentren westlicher Führungsstaaten hineingetragen werden. Durch eine georeferentielle Verortung des Konfliktaustrags können die räumlichen Dimensionen von Aktionen präzise abgebildet werden. Dadurch kann das Risiko durch politische Konflikte wesentlich exakter kalkuliert werden.

Wechselwirkungen zwischen klimabedingten Veränderungen und geopolitischen Entwicklungen

Da häufig Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Risikoarten bestehen, dürfen einzelne Risiken nicht isoliert betrachtet werden. Klimabedingte Veränderungen wie eine regionale Wasserknappheit oder der Verlust von Lebensraum werden politische Konflikte erzeugen oder verstärken, insbesondere aufgrund klimaverursachter Migrationsbewegungen. Umgekehrt können politische Entwicklungen auch erhebliche Umweltschäden und Naturkatastrophen hervorrufen, etwa durch den rücksichtslosen Abbau natürlicher Ressourcen. Eine Vorhersage der Wechselwirkungen gestaltet sich jedoch in der Regel mit aktuellen Mitteln noch schwierig.

Risikosteuerung und langfristige Risikominimierung

Auch wenn einzelne Unternehmen nur einen äußerst geringen Einfluss auf den Klimawandel oder geopolitische Entwicklungen haben, sind sie Langfristrisiken gegenüber nicht schutzlos ausgeliefert, sondern angehalten, aktive Vorsorge zu betreiben. Besonderes Augenmerk gilt dabei vor allem Risiken, die sowohl durch eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit als auch durch eine signifikante Schadenserwartung gekennzeichnet sind.  Unter Berücksichtigung von Kostenaspekten lohnt es sich, die Kosten und Nutzen für die Maßnahmen der Risikovorsorge abzuwägen.

Mithilfe von Predictive Analytics und auf Geo Intelligence basierenden Simulationen lassen sich verschiedene Maßnahmen zur Risikosteuerung bewerten, etwa Multi-Sourcing, Near Shoring oder der Aufbau zusätzlicher Pufferbestände. Ein intelligentes, proaktives Risikomanagement steigert so die Resilienz gegenüber Langfristrisiken und sichert die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.

Durch die Integration der MBI CONIAS Daten in die Lösung von Orbica können sowohl klimabedingte Veränderungen als auch geopolitische Entwicklungen abgebildet werden. Dies ermöglicht präzise Analysen und zielgenaue Maßnahmen, die für die Prävention von Langzeitrisken unerlässlich sind. Nehmen auch Sie dieses wichtige Thema innerhalb Ihres Risikomanagements jetzt in Angriff, um bestmöglich auf etwaige langfristige Risiken für Ihre Lieferkette und Standorte vorbereitet zu sein. Unser Expertenteam unterstützt Sie dabei selbstverständlich gerne. Kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Beratungsgespräch.

Mit dem MBI CONIAS Ansatz werden alle Daten systematisch auf Ebene der subnationalen Einheiten erhoben. So können differenzierte Lagebilder von Konflikten erstellt, Konfliktdynamiken erfasst und sichere Räume ermittelt werden. Damit ergibt sich für viele Länder ein sehr differenziertes, auf Empirie gestütztes Bild, welches nicht nur Risiken, sondern auch Chancen aufzeigt. Der MBI CONIAS Ansatz ist hierbei besonders innovativ, weil Daten und Entwicklungsschritte von zwei ganz unterschiedlichen Arten von Konflikten gesammelt werden: Einerseits sind das Konflikte, die mit einer ersten Meinungsverschiedenheit begannen, dann über Druck und Drohungen zunächst vereinzelt gewaltsam und schließlich zum Krieg eskalierten. Andererseits gibt es jedoch auch solche, die ganz ähnlich wie spätere Kriege begannen, dann aber friedlich ausgetragen werden konnten. Durch die Vielzahl der erfassten Daten und Attribute lassen sich die Standorte der Lieferanten, aber auch die Lieferketten differenziert bewerten. Somit können Veränderungen in der Risikoeinschätzung für ein proaktives Risikomanagement schnell übermittelt werden.

Über den Autor:
Dr. Nicolas Schwank
Chief Data Scientist Political Risk
Michael Bauer International GmbH

In Zusammenarbeit mit:
Matthias Frye
Director of Marketing and Sales Europe
Orbica UG