Vergessene Konflikte: OLA/Oromia in Äthiopien

01.08.2022

Während alle Augen auf den Krieg in der Ukraine gerichtet sind, geraten Geschehnisse in anderen Regionen der Welt in Vergessenheit. Aus diesem Grund möchten wir unsere Aufmerksamkeit in diesem Artikel auf einen bedeutenden Konflikt in Äthiopien richten. Mediale Aufmerksamkeit erfährt der am Horn von Afrika liegende Staat überwiegend durch den im September 2020 ausgebrochenen Konflikt zwischen der TPLF und der äthiopischen Regierung, an dessen Spitze Friedensnobelpreisträger Abyi Ahmed steht. Das Land weist jedoch noch weitere gewaltsame Konflikte auf, wie zum Beispiel den Konflikt zwischen der Oromo Liberation Army (OLA) und der Nationalregierung.

Die Gründung der Oromo Liberation Front

Einer dieser Konflikte brach mit der Gründung der politischen Partei Oromo Liberation Front (OLF) im Jahr 1973 aus – zunächst über die Abspaltung von Oromia, dann über die Selbstbestimmungsrechte der Oromo, der größten ethnischen Gruppe in Äthiopien.[1]

Zu weiteren Spannungen kam es in den 1980er Jahren, als die amtierende Zentralregierung mit willkürlicher Gewalt gegen Oromo vorging, um zu verhindern, dass die OLF an politischem Einfluss sowie zivilgesellschaftlicher Unterstützung gewinnt. Nachdem die OLF infolge gewaltsamer Auseinandersetzungen mit ihren damaligen Koalitionspartnern, der Oromo People's Democratic Organization und Ethiopian People’s Revolutionary Democratic Front, die Regierung 1992 verließ, kam es zum Krieg. Die Folge waren massive, durch Militärs und Polizeikräfte verübte Menschenrechtsverletzungen wie Massenverhaftungen, Folter, Missbrauch und gezielte Ermordungen. Es wurde systematisch gegen jene vorgingen, die mutmaßlich der OLF angehörten oder mit ihr in Verbindung standen.[2]

Nach jahrelangen internen Rivalitäten und militärischer Schwäche beginnend im Jahr 2006 kam es 2015 zu neuen Auseinandersetzungen. Diese mündeten im Jahr 2016 in der blutigen Niederschlagung zahlreicher Proteste. Organisiert wurden diese aufgrund der Pläne der Regierung, Bauern, die der Ethnie der Oromo angehörten, von ihrem Land zu vertreiben.

Ahmeds propagierte Reformen sind gescheitert – Erkenntnisse aus der CONIAS-Datenbank

Nachdem Ahmed, der selbst der Ethnie der Oromo angehört, im April 2018 das Amt des Premierminister antrat, verkündete er eine Reihe an Reformen, die zumindest formell und in den Anfängen einer Politik der Deeskalation glichen. So wurde das Agieren der zuvor zur Terrororganisation erklärten OLF wieder legalisiert, politische Gefangene freigelassen und Medienzensuren aufgehoben.[3] Während der politische Flügel der OLF im August 2018 einen Friedensvertrag mit der Regierung unterzeichnete, spaltete sich der militärische Flügel, bekannt unter Oromo Liberation Army oder OLF-Shane, ab.[4]

Betrachten wir die Entwicklungen der letzten Jahre anhand unserer CONIAS-Indikatoren, so entspricht die Realität keineswegs dem von Ahmed propagierten Frieden. In den Jahren 2018/19 verzeichnete unsere Datenbank in Oromia durchschnittlich vier Monate mit einer gewaltsamen Krise. Die Anwendung von Gewalt geht dabei auf Angriffe der OLA zurück, bei denen in den vergangenen Jahren vermehrt ethnische Amhara ins Visier genommen wurden, sowie auf bewaffnete Auseinandersetzungen mit Polizei- und Militärkräften. Eine weitere Eskalationsstufe erreichte der Konflikt im Jahr 2020, als sich die Anzahl der gewaltsamen Monate verdoppelte und Repressionen, Verhaftungen und Ermordungen von Oromos, die im Verdacht standen mit der OLA zu kooperieren, zunahmen. Im März 2021 eskalierte der Konflikt zu einem begrenzten Krieg, in dessen Zusammenhang seitdem monatlich über 60 Tote zu verzeichnen sind.

Nachdem die OLA im Mai 2021 zur Terrororganisation erklärt wurde[5], könnte das am 18. Juni 2022 mutmaßlich von der OLA verübte Massaker in Tole Kebele, West Wellega, Oromia zu einer neuen Eskalation des Konfliktes führen. Augenzeugenberichten zufolge wurden dabei zwischen 300 und 400 Personen mit ethnischer Zugehörigkeit zu Amhara getötet.[6] Eine weitere Eskalation würde nicht nur ein verstärktes militärisches Vorgehen gegen die OLA bedeuten, sondern ein noch höheres Maß an Unterdrückung von und Repressionen gegen ethnische Oromo. Während die Regierung aktuell regelmäßig Anklage gegen die Verbrechen der Rebellengruppe erhebt, weist die OLA jegliche Verantwortung von sich. Eine Klärung sowie eine internationale strafrechtliche Verfolgung der Verantwortlichen erscheint zum jetzigen Zeitpunkt jedoch unmöglich, da die Zentralregierung keine unabhängige Untersuchungskommission zulässt.

Dieser Fall zeigt, wie bereits seit Jahrzehnten andauernde Konflikte ihre Dynamik verändern können, sowohl im Ausmaß der Gewalt als auch hinsichtlich der beteiligten Akteure. Deshalb ist es unabdingbar und von hoher Bedeutung für die Bewertung des politischen Risikos, dass nicht-gewaltsame und gewaltsame Konflikte einer langfristigen, monatlichen Bewertung unterzogen werden. Mit dieser von MBI CONIAS angewandten Methodik ist es möglich, Entwicklungstendenzen zu erkennen und unsere Kunden frühzeitig darüber zu informieren. Für weitere Informationen kontaktieren Sie gerne unser Experten-Team.

Über die Autorin:
Sarah Pauly
CONIAS Risk Intelligence
Michael Bauer International GmbH

Quellenangaben:
[1] https://www.opride.com/2009/10/29/the-untold-history-of-ethiopia-1992-tplf-olf-war/ [22.07.2022]
[2] https://www.refworld.org/docid/42c3bd090.html#:~:text=In%20Oromia%2C%20the%20largest%20and%20most%20populous%20state,are%20unlikely%20to%20be%20presented%20with%20real%20choices.?msclkid=265400fca54d11eca4cbbcb584ee1941 [22.07.2022]
[3] https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/308149/ethnischer-foederalismus-in-aethiopien/ [22.07.2022]
[4] https://www.africanews.com/2018/08/07/ethiopia-govt-agrees-peace-deal-with-ex-terror-group-based-in-eritrea/ [22.07.2022]
[5] https://www.aljazeera.com/news/2021/5/1/ethiopia-to-designate-tplf-olf-shene-as-terror-groups [22.07.2022]
[6] https://www.amnesty.org/en/latest/news/2022/07/ethiopia-authorities-must-investigate-massacre-of-ethnic-amhara-in-tole/; https://www.theguardian.com/world/2022/jun/20/as-many-as-320-dead-in-ethiopia-gun-attack-witnesses-suggest [22.07.2022]