Madagaskar ist eines der ärmsten Länder Afrikas.[1] Nach Schätzungen der Weltbank sinkt das Bruttoinlandsprodukt stetig und hat ein Niveau erreicht, das unter dem des Jahres 1960 liegt, als das Land seine Unabhängigkeit erlangte. Auch die COVID-Pandemie hatte große Auswirkungen auf die Wirtschaft des Landes und führte zu einem Anstieg der Armut um 40 % seit 2020. Diese wirtschaftliche Instabilität in Verbindung mit den zahlreichen großen politischen Krisen des Landes hat zu einer Aushöhlung der institutionellen Grundlagen geführt, welche Überfälle, Plünderungen und die Entwicklung eines informellen Marktes begünstigte. Die Aufmerksamkeit der Medien richtet sich jedoch auf die Armut, die das Land plagt und vernachlässigt dabei die organisierte Kriminalität, die das alltägliche Leben der Menschen und das Wirtschaften in Madagascar beeinflusst. In nachfolgendem Artikel haben wir den Fokus auf das organisierte Verbrechen gelegt, um die Facetten dieses Phänomens zu beleuchten.
Von Wirtschaftskriminalität bis hin zu täglichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung
Seit 2014 ist in Madagaskar ein zunehmendes Wachstum bewaffneter Milizen zu beobachten. Eine dieser Milizen sind die Dahalo, was mit "Diebe" übersetzt werden kann. Sie verdeutlichen die Entwicklung von Wirtschaftskriminalität hin zu Gewalt mit täglichen Angriffen auf die Zivilbevölkerung, die von Viehdiebstahl bis hin zu Entführungen und nicht selten Mord reichen. In den letzten Jahren ist die Zahl der Dahalo-Opfer in die Tausende gewachsen. Die treibende Kraft hinter ihren Angriffen ist der Diebstahl von Zebu, da Zebufleisch auf dem asiatischen Markt sehr gefragt ist. Es wird geschätzt, dass 90 % des exportierten Fleisches gestohlen wurde, wodurch ein großer informeller Markt entstanden ist.[2]
Kontrolle der Bedrohung durch Schaffung einer Militäreinheit durch die Regierung
Die Regierung hat drei verschiedene Ansätze im Umgang mit den Dahalo gewählt. Zunächst wurde in Mahabo eine Anti-Dahalo-Militäreinheit geschaffen, um die Bedrohung unter Kontrolle zu bringen. Der Machtmissbrauch durch die Armee verstärkte jedoch die Unbeliebtheit der Sicherheitskräfte und bewirkte einen Gegeneffekt, der die Zivilbevölkerung dazu brachte, die Dahalo zu unterstützen.
Amnestie für ehemalige Miliz-Mitglieder für die Beseitigung ihrer Mitstreiter
Ein weiterer Ansatz der Regierung besteht darin, ehemaligen Dahalo-Mitgliedern eine Amnestie anzubieten, in der Hoffnung, dass diese bei der Beseitigung ihrer Mitstreiter erfolgreicher sein werden als das Militär. Der frühere Premierminister von Madagaskar, Roger Kolo, hatte die Idee die Dahalo wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Er hoffte, sie zum Schutz von Straßen und Dörfern in Zusammenarbeit mit den Fokonolona - einem Dorfrat, der 1975 in der Verfassung als "dezentrales Kollektiv des Staates" anerkannt wurde - einsetzen zu können. Die Fokonolona sind für die wirtschaftliche, soziale, kulturelle und kommunale Entwicklung auf lokaler Ebene zuständig.[3]
Bewaffnung der Zivilbevölkerung zur Verteidigung der Gemeinschaft
Die endgültige und bevorzugte Lösung der Regierung gegen die Dahalo-Bedrohung schließt ebenfalls die Fokonolona mit ein. Jede Fokonolona darf auf lokaler Ebene ein Strafgesetzbuch aufstellen. Seit 2009 haben sich viele Regionen darauf geeinigt, dass die Zivilbevölkerung sich bewaffnen darf, um die Gemeinschaft verteidigen zu können. In Toliary und Antananarivo, den am stärksten von Dahalo-Überfällen betroffenen Gebieten, wurden 2015 von der Regierung aus der Zivilbevölkerung gebildete Milizen mit 2.000 Gewehren ausgestattet. Dies führte zu zahlreichen Zusammenstößen zwischen den Dahalo und den Fokonolona, bei denen Dutzende Menschen gestorben sind.[4]/[5]
Die Idee, der Fokonolona Polizeibefugnisse zu übertragen, ist jedoch kritisch zu betrachten. Dieses Vorgehen kann gefährlich sein, da es eine Verlagerung hin zur Mob-Gewalt darstellt, die den ohnehin schwachen institutionellen Rahmen der Regierung weiter gefährdet. Es ist durchaus möglich, dass die Regierung zukünftig nicht in der Lage sein wird, die Selbstverteidigungsmilizen zu kontrollieren und einzudämmen, was zu einer raschen Zunahme von Chaos und Gewalt führen könnte.
Trotz verschiedener Operationen kein Eskalationspotenzial
Im Allgemeinen wurde in den letzten Jahren aufgrund der bereits erwähnten Militarisierung der Wirtschaftskriminalität der Einsatz von staatlichem Militärpersonal verstärkt. Trotz der Operationen des Militärs und der Fokonolona gegen die Dahalo scheint das Ausmaß der Zusammenstöße jedoch nicht das Potenzial zu haben, zu einem größeren Konflikt zu eskalieren. Die aufmerksame Beobachtung der Situation durch MBI CONIAS Risk Intelligence hat gezeigt, dass die Überfälle und Auseinandersetzungen zwischen den Konfliktparteien auf einem konstanten Niveau sind und dies vermutlich auch in absehbarer Zukunft so bleiben wird. Kontaktieren Sie uns für weitere Informationen.
Unsere jahrzehntelange Erfahrung in der Beobachtung politischer Konflikte unterhalb der Kriegsschwelle machen die MBI CONIAS Daten einzigartig. Dabei erweist sich die Integration nicht-gewaltsamer Konflikte in den MBI CONIAS Ansatz als äußerst relevant, da diese das Potenzial haben, sich jederzeit zu gewaltsamen Konflikten zu entwickeln.
Über die Autorin:
Konstantina Chalkiopoulou
CONIAS Risk Intelligence
Michael Bauer International GmbH
Quellenangaben:
[1] https://borgenproject.org/poverty-in-madagascar-5/
[2] https://ieg.worldbankgroup.org/sites/default/files/Data/reports/ap_madagascarcpe.pdf
[3] http://www.nzdl.org/cgi-bin/library?e=d-00000-00---off-0cdl--00-0----0-10-0---0---0direct-10---4-------0-1l--11-en-50---20-about---00-0-1-00-0--4----0-0-11-10-0utfZz-8-10&cl=CL1.37&d=HASH01b39af3cfa0114ec033291d.8>=1
[4] https://newsmada.com/2021/06/04/recrudescence-de-linsecurite-le-cercle-de-la-violence-tourne-a-nouveau-a-son-rythme-de-croisiere/
[5] https://2424.mg/insecurite-au-moins-47-personnes-tuees-lors-daffrontements-entre-de-presumes-dahalo-et-le-fokonolona-a-befotaka-selon-les-autorites/