Zwischen den Fron­ten? Han­dels­ri­si­ken durch po­li­ti­sche Kon­flik­te in so­wie um Sau­di-Ara­bien und Iran

16.03.2019

Genau vier Jahr­zehnte ist es her, dass der ira­nische Shah Reza Pahlavi, einer der eng­sten Ver­bün­deten des Westens, von der islamischen Revolution gestürzt wurde. Doch nicht nur im Iran wurden die Karten neu gemischt – auch im Nachbarstaat Saudi-Arabien stellte der Angriff auf die Moschee von Mekka die bis dahin größte Herausforderung für den Erhalt der Monarchie dar, welchem Riad mit einer verschärften Religionspolitik begegnete. Die seit 1979 die muslimische Welt in Atem haltende Rivalität zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitisch Saudi-Arabien ist in erster Linie als ein Konflikt um die regionale Vormachtstellung zu verstehen. Die religiös-ideologische Dimension verstärkt diesen allerdings enorm und seine Auswirkungen sind bis heute im gesamten Mittleren Osten, vom Libanon über Syrien bis zum Jemen, zu spüren. Doch auch die eingangs erwähnten gesellschaftlichen Umbrüche hallen nach und bergen auch für Besucher und Expats Risiken. Unternehmen, die die vielen Chancen, die beide Staaten internationalen Investoren und Partnern bieten, erfolgreich nutzen wollen, müssen also inner- und zwischenstaatliche Spannungen sowie daraus folgende politische Risiken im Blick behalten.

Wirtschaftliche Chancen – Ressourcenreichtum und Investitionen in den Strukturwandel

Trotz der großen Unterschiede der politischen und gesellschaftlichen Systeme bestehen traditionell enge Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Bundesrepublik und Iran. Neben großen Öl- und Gasvorkommen ist das Land aufgrund seiner gut ausgebildeten Bevölkerung und seiner geographischen Lage für ausländische Unternehmen attraktiv. Doch jahrelange Sanktionen haben im Iran zu einem erheblichen Investitionsstau in der Infrastruktur beigetragen. Das Land benötigt also dringend neue ausländische Investitionen zur Diversifizierung seiner einseitig ausgerichteten Wirtschaft. Unmittelbarer Handlungsbedarf besteht beispielsweise im Umwelt- und Wasserwirtschaftssektor.

Saudi-Arabien ist der zweitgrößte Erdölproduzent der Erde. Um jedoch seine Abhängigkeit vom schwarzen Gold zu reduzieren und seine Wirtschaft zukunftssicher aufzustellen, strebt Saudi-Arabien mit seiner Vision 2030 eine Diversifizierung seiner Wirtschaft sowie eine gesellschaftliche Öffnung an. Dafür öffnet das Königreich seinen Markt auch für ausländische Investoren. Aufgrund seiner Finanzkraft sowie der zahlreich geplanten Investitionen etwa im Bauwesen, dem Verkehrswesen, der Telekommunikationsbranche und in High-Tech Sektor, ist Saudi-Arabien derzeit ein äußerst interessanter Investitionsstandort. Gerade deutsche Unternehmen haben angesichts des ausgezeichneten Rufs ihrer Produkte gute Chancen.

Ein heißes Pflaster? Politische Konflikte und weitere Risikofaktoren vor Ort

Trotz der wirtschaftlichen Möglichkeiten kommen Unternehmen in beiden Ländern um das Thema politische Risiken nicht herum. Bewaffnete Konflikte, innere Unruhen und anhaltende Repression können die Sicherheit von Angestellten und Produktionsstätten gefährden. Hinzu kommt, dass auch außenpolitische Spannungen beider Staaten miteinander sowie mit Drittstaaten die eigenen Geschäftsaktivitäten durch Sanktionen erheblich verkomplizieren.

Als eine Folgeerscheinung des Jemen-Krieges stellen Raketenangriffe der dort vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen eine reale Gefahr in Saudi-Arabien dar. Mehrfach gelang es den Huthis, die von der jemenitischen Regierung und einer von Saudi-Arabien geführten Koalition bekämpft werden, die Hauptstadt Riad zu treffen. Die Angriffe erhöhen zudem das Sicherheitsrisiko im an den Jemen angrenzenden Süden des Landes. Ebenso bleibt auch die Gefahr von Anschlägen des Islamischen Staates weiterhin bestehen. Hinzu kommt, dass unter der Führung der jungen Kronprinzen Mohammed bin Salman die staatlichen Repressalien erheblich zugenommen haben. Eine Vielzahl von auch einflussreichen Personen, die als nicht linientreu gelten, wurde in den letzten Jahren verhaftet.

Das rücksichtslose Vorgehen der saudischen Führung hat zu erheblicher Kritik von westlichen Staaten geführt, von der sich auch die wirtschaftlichen Beziehungen zum saudischen Königreich kaum trennen lassen.

Dies zeigte sich etwa im November 2017, als der damalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel Mohammed bin Salman außenpolitisches „Abenteurertum“ vorwarf – zuvor war der libanesische Premierminister zeitweise in Riad festgesetzt worden. Saudi-Arabien reagierte auf diesen Tadel mit dem Abzug seines Botschafters in Berlin und einem Ausschluss deutscher Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen.

Auch im Iran lässt sich nach den teils heftigen Protesten zum Jahreswechsel 2017/18 die innenpolitische Situation keineswegs als stabil bezeichnen. Fast täglich kommt es zu Streiks und Demonstrationen, die sich gegen die schlechte Wirtschaftslage, die politischen Autoritäten sowie die US-Sanktionen richten. Die iranischen Streitkräfte sind zudem in den vergangenen Monaten häufiger Ziel von Terroranschlägen geworden, die meist von sunnitischen Separatistengruppen verübt werden sind. In diesem angespannten Klima haben willkürliche Verhaftungen von Doppelstaatlern, in den letzten Jahren zugenommen. Begründet werden diese meist mit dem Verdacht auf Verschwörung oder Spionage im Auftrag westlicher Staaten. Ein weiterer schwelender Brandherd sind die sich rapide verschlechternden Beziehungen zwischen Teheran und Washington, wo man offen einen Sturz des Regimes herbeisehnt.

Im Dickicht der Regularien: Europäische Sanktionen und Exportbeschränkungen nehmen zu

Die Ermordung des Regimekritikers Jamal Kashoggi im vergangenen Oktober hat international eine beispiellose Empörungswelle gegenüber Saudi-Arabien ausgelöst. Auch die Bundesregierung hat reagiert und neben Einreiseverboten einen sofortigen Exportstopp für Rüstungsgüter dorthin verhängt, der zunächst bis Ende März andauert. Konkret bedeutet dies, dass einige Waren, wie beispielsweise Patrouillenboote aus der Wolgaster Peene-Werft, trotz bereits erteilter Herstellungs- und Exportgenehmigung, nicht ausgeführt werden können. Generell droht deutschen Rüstungsunternehmen eine anhaltende Unsicherheitsphase, da die Entscheidung zur Exportgenehmigung keinem rechtlichen Rahmen obliegt, sondern auf politischer Ebene gefällt wird.

Dies kann auch dazu führen, dass betroffene Unternehmen ihre Verträge nicht einhalten können und Strafzahlungen vonseiten ihrer Geschäftspartner fürchten müssen. Zudem können Unternehmen, welche als Zulieferer für Rüstungsunternehmen im europäischen Ausland fungieren, auch mit diesen in kostspieligen Konflikt geraten. Für den Fall, dass in Saudi-Arabien der von der Bundesregierung erhoffte Politikwechsel ausbleibt, müssen Unternehmen, die in einem kritischen Wirtschaftszweig Geschäfte mit Riad machen wollen, potenzielle Reputationsrisiken berücksichtigen. Verkäufe im Bereich der Rüstungsindustrie werden in der deutschen Öffentlichkeit schon seit langer Zeit weitgehend negativ betrachtet, was nun auch auf Software und Überwachungstechnologien gilt.

Seit dem Abschluss des Atomabkommens 2015 mit dem Iran sind zahlreiche Sanktionen gelockert worden. Dennoch bestehen einige Einschränkungen auch vonseiten Deutschlands bzw. der EU weiterhin fort und sind zu berücksichtigen. Neben dem Verbot zum Handel von Rüstungsgütern und Gütern, die zur internen Repression eingesetzt werden, gilt weiterhin die Iran-Embargoverordnung und die Iran-Menschenrechtsverordnung. Diese enthalten primär Finanzsanktionen und richten sich gegen Personen, Organisationen und Einrichtungen die dem Atomprogramm, den Sicherheitsbehörden oder den Revolutionsgarden zuzuordnen sind. Nachdem iranische Geheimdienstaktivitäten und sogar Anschlagspläne gegen Dissidenten in Europa in den letzten Monaten vermehrt an die Öffentlichkeit gelangt sind, hat die EU im Januar 2019 auch Angehörige des iranischen Geheimdienstes auf ihre Terroristenliste gesetzt.

Mitgefangen, Mitgehangen? Was die US-Sanktionspolitik für Europa bedeutet

Die europäische und US-amerikanische Wirtschaft sind tief integriert. Daher sind für ein Unternehmen nicht nur Vorschriften der eigenen Regierung zu beachten, sondern auch regulatorische Maßnahmen von Drittstaaten, besonders der USA. Die Ermordung Kashoggis sowie die verheerende Kriegsführung im Jemen haben nun auch Sanktionen vonseiten der USA gegenüber Saudi-Arabien, zur Folge. Im US-Kongress hat die Politik Riads zudem einen sonst eher ungewöhnlichen parteiübergreifenden Konsens hervorgerufen. Der Druck auf die saudische Führung wächst, sogar ein Ende der amerikanischen Unterstützung für den Jemen-Krieg ist nicht mehr undenkbar. Echte Konsequenzen scheitern derzeit nur an US-Präsident Donald J. Trump, der, auch mit Blick auf seine anti-Iran-Politik, eine Verschlechterung der Beziehungen fürchtet.
Mit Bekanntgabe des Ausstiegs der USA aus dem Atomabkommen traten vorher ausgesetzte Sanktionen etwa gegen den Automobilsektor und den Verkauf von Passagierflugzeugen im August 2018 wieder in Kraft. Im November setzten weitere Sanktionen wieder ein, die sich gegen iranische Hafenbetreiber, den Schifffahrts- und Bausektor sowie den Ankauf von Erdöl und petrochemische Produkte richten und Transaktionen mit iranischen Banken verbieten. Neben den Finanzinstituten setzen US-Behörden alle Einrichtungen, die sie als Teil der iranischen Regierung ansehen, auf die Liste der Specially Designated Nationals and Blocked Persons. Für sie besteht de facto ein Kontaktverbot auch für nicht-amerikanische Personen und Firmen, die sich sonst dem Risiko von Sanktionen aussetzen könnten. Eine weitere Beschränkung erfahren Unternehmen, die mindestens zehn Prozent ihrer Wertschöpfungskette in den USA haben, denn sie erhalten die benötigten Exportlizenzen nicht mehr. Für einige US-Verbündete, wie z.B. die Türkei, hat Washington die Sanktionen im Öl- und Gassektor allerdings übergangsweise ausgesetzt.
Für den Iran, der sich ja um neue Investitionen bemüht, kommen die neuen Strafmaßnahmen der USA zur Unzeit. Denn auch Unternehmen, die im nicht-sanktionierten Bereich Handel betreiben, könnten sich aus Angst vor einem Ausschluss vom US-Markt ebenfalls zurückziehen und Banken aufhören, entsprechende Finanzierungen anzubieten bzw. Transaktionen durchzuführen. So gab auch die Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) Bank bekannt, dass iranische Finanzinstitute künftig von ihrem Netz ausgeschlossen werden, obwohl sie eigentlich EU-Recht unterliegt. Dies ist insofern problematisch, als dass die Bank den weltweiten Nachrichten- und Transaktionsverkehr von mehr als 11.000 Banken abwickelt und der Iran damit weder Importe zahlen noch Zahlungen für Exporte erhalten kann. Im November 2018 lag der Handel zwischen EU und Iran zwei Drittel unter dem Vorjahreswert.

Als Reaktion auf diese Entwicklung haben Deutschland, Frankreich und Großbritannien mit Unterstützung der EU Ende Januar die Finanzgesellschaft INSTEX (Instrument in Support of Trade Exchanges) gegründet. Ihr Ziel war es ursprünglich, iranische Öl- und Gasexporte nach Europa gegen US-Sanktionen abzusichern: Forderungen europäischer und iranischer Unternehmen würden miteinander verrechnet, bezahlt wird wie bei einer Tauschbörse in Waren. So sollen Finanztransaktionen hinfällig und Sanktionen umgangen werden. Tatsächlich beschränkt sich der Handel allerdings zunächst nur auf den humanitären Warenverkehr, also Lebensmittel, medizinische und pharmazeutische Produkte. Es wird sich zeigen, in welchem Ausmaß weitere nicht-sanktionsfähige bzw. auch sanktionierte Güter hinzukommen werden. Eine entscheidende Rolle werden die iranischen Erdöl- und Gasexporte einnehmen, da diese 90 Prozent der gegenwärtigen iranischen Exporte in die EU ausmachen und somit nicht nur für die iranische Wirtschaft unentbehrlich sind, sondern auch für einen ausgeglichenen Handel innerhalb des INSTEX-Systems.

Ausblick und Handlungsempfehlungen

So viel Iran und Saudi-Arabien auch trennt, so sehr eint sie der Bedarf an Investoren und ausländischem Know-how, um die Herausforderungen der kommenden Jahre zu meistern. Gleichzeitig erschwert ihre problematische und aggressive Außenpolitik immer wieder internationale Geschäftsbeziehungen. Die gesellschaftliche Öffnung, die Saudi-Arabien unter Mohammed bin Salman erlebt, ist nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine politische Chance, mäßigend auf die streng religiösen Kräfte im Land einzuwirken. Scheitert sein Reformprogramm, so könnte neben einem ökonomischen Chaos, ein Widererstarken der religiös-fundamentalistischen Kräfte einsetzen. Auch im Iran könnte neben der realen Gefahr, dass Teheran sein militärisches Atomprogramm wieder aufnimmt, eine weitere Verschärfung der wirtschaftlichen Krise dazu führen, dass die Hardliner in den Wahlen 2020 und 2021 die Oberhand über das Parlament und das Präsidentenamt gewinnen. Dies hätte sicher eine weitere Verhärtung der Fronten in der Region und mit den USA zur Folge. In beiden Szenarien gehören europäische Firmen sicher nicht zu den Gewinnern.
Unternehmen, die sich am Golf engagieren oder dies planen, sind also in beiden Fällen zur Offenheit, aber auch strategischer Geduld angehalten, vor allem mit Blick auf die in Teilen noch ausstehende klare Positionierung der USA und der Bundesregierung, u.a. zum Jemenkrieg. Die Affäre um Jamal Kashoggi hat viel Porzellan zwischen Riad und dem Westen zerschlagen – neues Vertrauen muss nun erst wieder aufgebaut werden. Mit Blick auf den Iran hat die Bundesregierung ihr Interesse an einer weiteren Zusammenarbeit im Rahmen des INSTEX-Systems bekräftigt. Interessant ist diese Initiative vor allem für Unternehmen, die nicht sanktionsfähige oder nur humanitäre Güter exportieren wollen, insbesondere, wenn das eigene Interesse am US-amerikanischen Markt gering ist. Für alle anderen gilt es auch hier, erst einmal abzuwarten, ob und inwieweit eine vollständige und umfassende Etablierung des INSTEX-Systems Realität werden kann.


Niklas Palm, Universität Kopenhagen