Erbium, Yttrium, Thulium – für die Produktion zukunftsweisender Technologien sind diese Metalle, die zur Rohstoffgruppe der „Seltenen Erden“ zählen, unerlässlich. Ohne sie hätte der Elektromotor der Zukunft keine Chance, Windräder stünden still und auch die Produktion von 3D-Druckern wäre undenkbar. Die Knappheit, die der Name „Seltene Erden“ suggeriert, ist dabei überraschenderweise gar nicht geologisch zu verstehen. Die bedeutsamen Rohstoffe, insgesamt 17 chemische Elemente, kommen sogar relativ häufig in Erzen vor. Tatsächlich rar sind größere und zusammenhängende Förderstätten, wer diese kontrolliert, ist also klar im Vorteil.
Bis ins Jahr 2010 wurden 90 % der Seltenen Erden sehr günstig aber mit hohen Umweltbelastungen in China abgebaut. Doch dann trat Peking auf die Bremse und schränkte die Rohstoffexporte ein. Eigenen Angaben zufolge plant die Regierung so, nach Jahren der Ausbeutung „den Markt neu zu ordnen, die Umwelt zu schützen und einen angemessenen Preis für diese wertvollen Rohstoffe zu erhalten“ – auch mit dem Ziel, die Weiterverarbeitung im eigenen Land zu fördern. Dieser Richtungswechsel geht mit fatalen Folgen für die rohstoffverarbeitende Industrie im Ausland einher: Schließlich wird so das Angebot knapper und die Preise steigen.
Alternative Märkte erschließen – leichter gesagt als getan
Wie können international operierende Unternehmen auf diese Herausforderung reagieren und sich zukunftsfähig aufstellen? Um eine ausreichende Rohstoffversorgung dauerhaft zu gewährleisten, müssen neue Märkte erschlossen werden. Große alternative Förderstätten für Seltene Erden werden auf dem afrikanischen Kontinent vermutet. Etwa die Hälfte aller Vorkommen sogenannter Karbonatiten, in welchen die begehrten Metalle vorhanden sind, liegen Schätzungen zufolge in Afrika. Auf den ersten Blick mag ein Ausweichen auf Afrika verheißungsvoll erscheinen, in der Realität ist dies jedoch mit vielfältigen Herausforderungen verbunden. Die erfolgreiche Erschließung neuer Rohstoffmärkte setzt auch den Aufbau eines neuen und verlässlichen Lieferantennetzwerks voraus. Angesichts prekärer Arbeitsbedingungen, die unter anderem auch Streiks verursachen können, sowie im Vergleich mit Europa deutlich niedrigerer Umwelt- und Sozialstandards ist Vorsicht geboten – auch um Reputationsverluste zu vermeiden. Denn wie beispielsweise die Diskussion um das Fairphone zeigt, interessieren sich (potenzielle) Kunden heutzutage längst auch für Fragen, die die Materialbeschaffung und Produktionsbedingungen betreffen. Wie schnell Skandale einzelner Lieferanten auch das eigene Unternehmen betreffen können, erfährt aktuell der weltgrößte Rohstoffhändler Glencore – Vorwürfe der Korruptions- und Geldwäsche im Rahmen ihres Afrikageschäfts sorgten für einen Aktieneinbruch um 10 Prozent. Doch auch andere in Afrika operierende Unternehmen sind angehalten, sich mit, wenn auch hoch komplexen, Lieferketten auseinanderzusetzen und kritische Informationen frühzeitig einzuholen. Das Seltene-Erden-Metall Tantal, das in fast allen Mobilgeräten eingesetzt wird, wird zwar in China weiterverarbeitet, aber in Minen im Kongo, in der Region Kiwu gefördert. Nimmt man nun die dortigen Abbaubedingungen genauer unter die Lupe, wird die Sensibilität dieses Rohstoffmarktes ersichtlich: denn die Minen werden fast ausschließlich von Rebellengruppen kontrolliert oder gar selbst betrieben, die so ihre Aktivitäten im kongolesischen Bürgerkrieg finanzieren.
Neben Sicherheitsrisiken für Mitarbeiter vor Ort und drohenden Reputationsverlusten geht es für Unternehmen bei der Erschließung alternativer Rohstoffmärkte auch darum, Vorschriften von Dritt- und Heimatstaaten gerecht zu werden. Von der verstärkten Regulierung in diesem Bereich besonders betroffen sind europäische und US-amerikanische Firmen. So trat 2010 in den USA der so genannte Dodd-Frank Act in Kraft, der unter anderem den Abbau von Mineralien in Konfliktgebieten regulieren soll und Berichts- und Offenlegungspflichten für börsennotierte US-Unternehmen vorsieht. Auch deutsche Firmen, können als deren Zulieferer von der Regelung betroffen sein und müssen die Verwendung von „Konfliktmineralien“ deklarieren, da die Offenlegungspflicht die gesamte Lieferkette betrifft. Die sogenannten Konfliktmineralien Zinn, Tantal, Gold oder Wolfram können zwar weiterhin im Produktionsprozess verwendet werden, Unternehmen müssen jedoch aufzeigen, ob diese aus der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) oder deren Nachbarländern stammen und der US-Börsenaufsicht einen geprüften Bericht („Conflict Minerals Report“) mit umfassenden Informationen zur Herkunft und Verwendung der Mineralien vorlegen.
Indem Unternehmen die Herkunft bestimmter Rohstoffe offenlegen müssen, sollten Unternehmen getreu dem Motto „name and shame“ dazu gebracht werden, von denjenigen Minen Abstand zu halten, die unter menschenunwürdigen Bedingungen Rohstoffe abbauen oder von Rebellengruppen betrieben werden. Ihr Ziel konnte die ambitionierte Initiative jedoch bisher nicht erreichen und stellte sich zum Teil auch als kontraproduktiv heraus. Da die lückenlose Offenlegung für betroffene Unternehmen mit enormen bürokratischen Mehraufwand verbunden ist und konfliktbehaftete Minen erst einmal ausfindig gemacht werden müssen, wählen viele Unternehmen den einfacheren Weg und ziehen sich ganz aus dem Geschäft mit dem Kongo zurück. Dies geschieht zum Leidwesen derjenigen Minen, die Umwelt- und Sozialstandards einhalten und Arbeitsplätze für die kongolesische Bevölkerung schaffen. Letztendlich konnten also weder Unternehmen noch die kongolesische Rohstoffindustrie oder die Bevölkerung vom Dodd-Frank Act profitieren.
Erfolgreiches Risikomanagement ist proaktiv
Angesichts dieser Schwierigkeiten liegt es weiterhin vor allem im Eigeninteresse von Unternehmen, im Bereich des nachhaltigen Lieferkettenmanagements selbst und proaktiv tätig zu werden. Ziel sollte es sein, den gesamten Wertschöpfungsprozess eines Produkts, von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung und Verkauf bis hin zur Nutzung und Entsorgung, auf wirtschaftliche, ökologische und soziale Kriterien zu prüfen und dabei möglichst alle negativen Auswirkungen zu beheben. Was anfänglich mit einigem Aufwand verbunden sein mag, wird dennoch mit hoher Wahrscheinlichkeit mittel- und langfristig zum Geschäftserfolg führen.
Eine sorgfältige Auswahl der Lieferanten hilft Ihnen dabei, Risiken entlang der gesamten Lieferkette zu minimieren und auch die Kosten einer transparenten Berichterstattung über soziale und ökologische Auswirkungen Ihrer Unternehmenstätigkeit zu reduzieren. Wer sich um Nachhaltigkeit aktiv bemüht, erhöht auch die eigene Attraktivität als Arbeitgeber und das Ansehen bei Käufern und Partnern. Wir beraten Sie gerne beim Eintritt in sensible Zukunftsmärkte und bieten Lösungen für ein Lieferkettenmanagement an, das Ihnen zwischen unternehmerischen Chancen und Risiken den richtigen Pfad aufzeigt.
Sie sind geschäftlich im Ausland aktiv und interessieren sich für das Thema politische Risiken? Bleiben Sie mit unserem Newsletter auf dem neuesten Stand oder kontaktieren Sie uns direkt für maßgeschneiderte Beratungs- und Datenlösungen - wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!